Fortgeschrittene Strategien
Der organisierte Sport und insbesondere die Sportvereine haben eine große Wirkung in der Gesellschaft und können eine wichtige Ressource sozialer Integration sein. Aber auch im Sport bedarf es der Planung, Steuerung und aktiven Gestaltung von integrativen Prozessen, damit diese nachhaltig wirken können. Gleichberechtigte Teilhabe und die nachhaltige Integration neuer Zielgruppen in den Sport werden – auch im Hinblick auf die Sicherung des Fortbestands und Entwicklung der vielfältigen Sport(vereins-)landschaft – zentrale Aufgaben des organisierten Sports werden.
Informationen und Wissen über die Bedürfnisse und Bedarfe
Die Öffnung für Vielfalt und Diversität erfordert in erster Linie Informationen und Wissen über die Bedürfnisse und Bedarfe der vielfältigen Gesellschaft. In Sportvereinen müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die soziale Integrationsprozesse ermöglichen und befördern. Die Integration neuer Zielgruppen funktioniert nur als Querschnittsaufgabe und sollte in allen Abteilungen und Bereichen des Vereins als gemeinsame Haltung verstanden und getragen werden. Dazu gehört auch der Blick nach innen und die interne Prüfung systemischer Hürden im Verein sowie die aktive Sensibilisierung der Vereinsmitglieder.
Zuletzt bedarf es der Klarheit sowohl über die Zielgruppe, die erreicht werden soll, als auch hinsichtlich der Ziele, die im Verein damit verfolgt werden (Mitgliederzuwachs, Ehrenamtsgewinnung, Angebotsentwicklung oder soziales/gesellschaftliches Engagement). Dazu ist eine Analyse erforderlich, welche Zielgruppe im (geographischen) Vereinsumfeld anwesend, aber nicht nachhaltig an den Verein angebunden ist und ob Angebotslücken für diese Zielgruppe bestehen, die der Verein füllen kann.
Realisitische Einschätzung
Wie der obige Abriss zur Öffnung für Vielfalt und Diversität vermuten lässt, bedarf die Umsetzung einer realistischen Einschätzung dessen, was im Verein tatsächlich anhand der personellen, finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen realisiert werden kann. Wichtig dabei: Die Öffnung für Vielfalt und Diversität ist ein Prozess! Es soll nicht mit der Erwartungshaltung herangegangen werden, ein fertiges und passgenaues „Endprodukt“ für den Verein zu entwickeln und anzuwenden! Vielmehr ist entscheidend, mit kleinen Schritten anzufangen und zu prüfen, ob diese Schritte Wirkung zeigen. Dies bedeutet auch, dass Fehler bzw. „Niederlagen“ erlaubt sind. Sollte eine Maßnahme, ein Angebot, ein Projekt nicht die erhoffte Wirkung zeigen, ist dies ein positiver Lerneffekt, um neuere, passgenauere Formate zu entwickeln und anzugehen.
Perspektive Mitgliederzuwachs
Für die Mitgliedergewinnung ist essenziell zu evaluieren, welche Zielgruppe im (geographischen) Vereinsumfeld anwesend, aber (noch) nicht adäquat im Verein vertreten ist sowie ob und inwiefern das bestehende Vereinsangebot nach außen attraktiv auf diese Zielgruppe wirkt (► Angebotsentwicklung). Die Akquise von Mitgliedern aus bestimmten gesellschaftlichen Milieus bspw. Menschen mit Migrationsgeschichte wird künftig eine wachsende Bedeutung für die Sicherung des Fortbestands von Abteilungen, Vereinen selbst sowie der vielfältigen Sportlandschaft insgesamt zukommen.
- Was soll nach einer definierenden Zeit (bspw. nach 3 Jahren) besser/anders sein als heute?
- Welche Zielgruppe(n) (Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, sozial Benachteiligte, wohnungslose Personen, FLINTA*-Personen, usw.) aus dem (geographischen) Umfeld sind im Verein nicht oder kaum zu finden?
- Welches Sportangebot haben wir? (► Angebotsentwicklung)
- Gibt es „Angebotslücken“ in der Vereinslandschaft im Umfeld des Vereins, die wir füllen können und möchten? (► Angebotsentwicklung)
- Gibt es Nachfragen zu anderen (Sport-)Angeboten, die wir im Rahmen unserer Ressourcen umsetzen können? Was wünschen sich bestehende Mitglieder? (► Angebotsentwicklung)
- Spricht unser Angebot die Interessen und/oder Bedürfnisse dieser Zielgruppe an? (► Angebotsentwicklung)
- Können wir unser Angebot effektiv(er) und zielgruppenbezogener bewerben? (► Angebotsentwicklung)
- Ist die Zielgruppe bereits in unserem Verein vertreten? Gibt es bereits Personen aus der Zielgruppe, die mittrainieren, Trainings anbieten oder Funktionen im Verein haben?
- Haben wir bereits einen Zugang zur Zielgruppe bspw. Personen aus der Zielgruppe im Verein, Kooperationspartner in der Umgebung, die bereits Zugänge zur Zielgruppe haben?
- Welches Netzwerk, also Einrichtungen, Organisationen, Vereine (Diakonie, Caritas, Jugendhäuser, Initiativen) usw. gibt es in meinem Vereinsumfeld, die die diese Zielgruppe bereits erreichen/mit der Zielgruppe zusammenarbeiten? Wie können diese meinem Verein bei der Erreichung der Zielgruppe unterstützen?
- Haben wir Angebote und Veranstaltungen außerhalb unseres Regelbetriebs, die potenzielle neue Mitglieder ansprechen? (Tag der offenen Tür, Schnuppertage/-kurse, Vereinsfeste, Freundschaftsturniere usw.)
- Wie stellen wir uns in der Öffentlichkeit (Homepage, Flyer, Printmedien, Social Media usw.) dar? Erreichen wir mit unseren Kanälen (auch) diese Zielgruppe? Wie müssen meine Beiträge für die unterschiedlichen Kanäle verfasst werden?
- Insbesondere personelle (Wer?) und infrastrukturelle (Wo?) Ressourcen sind für eine intensive und nachhaltige Entwicklung notwendig, insbesondere beim Aus- und Aufbau von Sportangeboten für neue Zielgruppen
- Personen aus der Zielgruppe selbst, die Kompetenzen zur Umsetzung von entsprechenden Angeboten haben, sollten aktiviert und eingebunden werden
- Gibt es Widerstände? Wie gehen wir mit Widerständen um? Wie gewinnen wir Befürworter?
- Die klare Benennung der Zielgruppe, die erreicht werden soll, ist die Voraussetzung für alle weiteren Aktivitäten im Verein. Auf dieser Basis können weitere Schritte wie bspw. die konkrete Ansprache angegangen werden.
- Dabei ist zu prüfen, ob diese Zielgruppe im (geographischen) Umfeld des Vereins anwesend und für den Verein erreichbar ist. Ebenso ist zu beachten, ob es einen Bedarf seitens der Zielgruppe gibt, den der Verein abdecken kann.
Die Bedarfe der Zielgruppe ergeben sich teilweise aus der Zusammensetzung vor Ort. Das Angebot muss unterschiedlich gestaltet werden, wenn die Zielgruppe bspw. in der Hauptsache aus jungen Kindern und ihren Müttern besteht, als wenn es mehrheitlich Männer sind. - Ist die „gewünschte“ Zielgruppe gar nicht im Vereinsumfeld erreichbar oder sind deren Bedarfe bereits durch andere Akteure abgedeckt, sollte der Verein von einem Engagement absehen.
- Dabei ist zu prüfen, ob diese Zielgruppe im (geographischen) Umfeld des Vereins anwesend und für den Verein erreichbar ist. Ebenso ist zu beachten, ob es einen Bedarf seitens der Zielgruppe gibt, den der Verein abdecken kann.
- Bedarfsgerechte Sportangebote schaffen, die die Lebenswelt der Zielgruppe berücksichtigt bspw. kulturelle Besonderheiten. Um die Lebenswelt nachhaltig zu erfassen, ist der Austausch und das Miteinander mit der Zielgruppe unabdingbar.
- Rahmenbedingungen des bestehenden Sportangebots anpassen, sodass das Angebot in punkto Zeit und Räumlichkeiten zu den Bedürfnissen der Zielgruppe passen. Zu berücksichtigen sind z. B. das Zeitbudget der jeweiligen Zielgruppe und der Bedarf einer Kinderbetreuung während des Trainings. Die Anfahrtswege sollten möglichst kurz sein.
- Niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten schaffen (bspw. offene Schnupperkurse, mobile Sportprojekte oder „Sporttage“ zum Kennenlernen des Vereinsangebots) zum Kennenlernen des Vereinsangebots
- Sportangebot des Vereins erweitern bspw. mit neuen (Trend-)Sportarten, Freizeitsport oder Gesundheitskursen. Für Menschen mit Migrationsgeschichte sind dabei Sportarten aus den Herkunftsländern besonders attraktiv
- Im Verein vorhandene personelle Ressourcen nutzen und Angehörige der Zielgruppe, die bereits im Verein aktiv sind und/oder Interesse habe, eine neue Sportart im Verein aufzubauen, als Übungsleiter/-innen (ÜL) oder auf Funktionärsebene einbinden
- Ist ein ÜL auch Angehöriger einer Zielgruppe, fällt der Schritt in eine organisierte Übungsgruppe für weitere Angehörige leichter. Die Teilnehmer/-innen fassen schneller Vertrauen und akzeptieren die/den ÜL aufgrund ihrer/seiner fachlichen Kompetenz auch als Berater/in
- Mitgliedschaftsstrukturen und finanzielle Barrieren identifizieren und abbauen auf
- Vereinsdokumente auf Zielgruppe anpassen bspw. mehrsprachig oder in leichter Sprache anbieten oder die Vereinshomepage barrierefrei machen
- Finanzielle Barrieren abbauen
- Wichtig ist hierbei, keine umfassenden Ausnahmen zu schaffen, vielmehr sollte die Gesamtstruktur der Mitgliedschaften umgestaltet und auf die Bedürfnisse aller Mitglieder angepasst werden bspw. durch eine mehrstufige Beitragsstruktur und Schnupper-/Probemitgliedschaften oder Kursgebührsysteme.
Auf diese Weise wird eine interne Akzeptanz hergestellt und keine Gruppe im Verein stigmatisiert
- Wichtig ist hierbei, keine umfassenden Ausnahmen zu schaffen, vielmehr sollte die Gesamtstruktur der Mitgliedschaften umgestaltet und auf die Bedürfnisse aller Mitglieder angepasst werden bspw. durch eine mehrstufige Beitragsstruktur und Schnupper-/Probemitgliedschaften oder Kursgebührsysteme.
- Zuschüssen für Mitgliedsbeiträge ermöglichen (Bildungs- und Teilhabepaket, kommunale Sozialkarten (Karlsruher Pass, Heidelberg-Pass, etc.) und vereinsseitig unterstützen
- Kulturelle/religiöse Hürden abbauen
- religiöse Feiertage aussparen und Sport nicht nur in den Abendstunden anbieten. Für Musliminnen ist der Wunsch nach langer Sportkleidung und reinen Frauen-Gruppen, ohne Zugang von Männern, zu berücksichtigen
- Widerstände bzw. Bedenken im Verein konstruktiv und wertschätzend ansprechen und lösungsorientiert diskutieren
- Die strategische Öffnung für eine neue Zielgruppen bzw. ein soziales/gesellschaftliches Thema muss im Verein mehrheitlich getragen und befürwortet werden
Perspektive Ehrenamtsgewinnung
Der Mangel an ehrenamtlich Engagierten stellt viele Vereine vor zum Teil existenziellen Herausforderungen. So ist in den letzten Jahren zwar ein erfreulicher Mitgliederzuwachs innerhalb des organisierten Sports zu verzeichnen, gleichzeitig aber auch ein deutlicher Rückgang von Trainerinnen und Trainern, Übungs- und Jugendleitungen.
Besonders auffällig dabei: In den Ehrenamtsstrukturen des organisierten Sports sind Personen mit Migrationserfahrung und/oder sozialer Benachteiligung deutlich unterrepräsentiert und werden wenig bis gar nicht erreicht. Die Ehrenamtsstruktur bildet dementsprechend in keiner Weise die gesellschaftliche Realität wieder. Hauptursache ist, dass viele Sportvereine bestimmte Zielgruppen für das Ehrenamt, insbesondere für die Funktionärsebene nicht erreichen und/oder nicht (mehr) attraktiv für diese Zielgruppen sind. Die Öffnung für Vielfalt und Diversität, also die gezielt Ausrichtung der Sportvereine auf die Anforderungen, Bedürfnisse und Bedarfe einer vielfältigen Gesellschaft, kann diesen Problemlagen entgegenwirken.
-
Was soll nach einer definierenden Zeit (bspw. nach 3 Jahren) besser/anders sein als heute?
-
Welche Zielgruppe(n) (Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, sozial Benachteiligte, wohnungslose Personen, FLINTA*-Personen, usw.) aus dem (geographischen) Umfeld sind im Verein nicht oder kaum zu finden?
-
Welche Zielgruppe(n) davon möchte ich konkret für das Ehrenamt oder eine Funktion im Verein gewinnen?
-
Wie gelingt es meinem Verein, mehr Personen aus dieser Zielgruppe für ein Ehrenamt zu gewinnen? Inwiefern muss das Konzept „Ehrenamt“ neu gedacht werden – angepasst auf die Wünsche und Bedarfe der Zielgruppe? (► Neue Strategien im Ehrenamt)
-
Wie muss meine Vereinskultur und -struktur gestaltet sein, um attraktiv für diese Zielgruppe zu sein? Welche Strukturen entsprechen einer vielfältigen Gesellschaft?
-
Wie gestalte ich die Aufgabenprofile und die Strukturen des Ehrenamts in meinem Verein, um diese Zielgruppe zu erreichen und nachhaltig im Verein zu binden?
-
Welche Ressourcen haben wir im Verein, um sich dem Thema anzunehmen?
-
Welches Netzwerk, also Einrichtungen, Organisationen, Vereine (Diakonie, Caritas, Jugendhäuser, Initiativen) usw. gibt es in meinem Vereinsumfeld, die die diese Zielgruppe bereits erreichen/mit der Zielgruppe zusammenarbeiten? Wie können diese meinen Vereinen bei der Erreichung der Zielgruppe unterstützen?
-
Wie gestalte ich meine Außenwirkung und Öffentlichkeitsarbeit, um diese Zielgruppe für ein Ehrenamt/eine Funktion in meinen Verein zu erreichen
-
Gibt es Widerstände? Wie gehen wir mit Widerständen um? Wie gewinnen wir Befürworter/-innen?
In Bezug auf das Ehrenamt haben sich die Motivation, Aufgabenwünsche und die zeitliche Verfügbarkeit der Ehrenamtlichen in den letzten Jahren insgesamt deutlich geändert und entsprechen häufig nicht mehr den „traditionellen“ Ehrenamtsstrukturen im Sportverein. Während ein gemeinwohlorientierter Gemeinschaftssinn, persönliche Verbundenheit sowie die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung durch Titel, Ränge und Ehrungen in der Vergangenheit viele Personen für ein Ehrenamt motiviert hat, spielt heute das „Erfahrungen sammeln“, sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht, für viele junge Menschen eine entscheidende Rolle. Ein Ehrenamt, das einen Mehrwert für die berufliche und persönliche Entwicklung bietet, steigert die Attraktivität. (► Neue Strategien im Ehrenamt)
Auch die Aufgabenwünsche haben sich geändert: Nicht mehr das Amt definiert die Aufgaben, sondern die Kompetenz der Person definiert das Amt. Zum Teil können dadurch völlig neue Funktionen und Positionen im Verein entstehen: Aus dem Pressewart kann der Social Media Beauftragte werden, der besondere Kompetenzen mitbringt und so die Reputation und Öffentlichkeitswirksamkeit des Vereins steigern kann. Aus der Kassenprüferin kann die Eventmanagerin werden, die durch kreative Ideen und passgenauen Kosten-Nutzen-Kalkulationen für den Verein Mitglieder gewinnen und binden kann. Ebenso können Menschen, die speziellen Zielgruppen angehören und dadurch eine andere Sicht auf Strukturen, Kommunikations- und Verhaltensweisen sowie Rahmenbedingungen haben, neue Perspektiven in den Verein bringen und so Entwicklungen in verschiedenen Bereichen des Vereins anstoßen.
Gleichermaßen ändern sich die Aufgabenbereiche von Funktionen, die der Aufrechterhaltung und Struktur des Vereins dienen wie Vorstandsfunktionen, Abteilungsleitungen usw. durch die jeweiligen Kompetenzen der Person, die das Amt innehat und erfordert ein hohes Maß an Offenheit und Flexibilität. Mit einer auf Kompetenzen ausgerichteten Vorstandsstruktur können Aufgaben und Verantwortlichkeiten verteilt und so die einzelnen Vorstandsmitglieder entlastet werden. Gleichermaßen ermöglicht diese Ausrichtung die gezielte, an erforderlichen Kompetenzen orientierte Suche und Ansprache von Personen. Freiräume für Mitbestimmung und -gestaltung wirken dabei besonders attraktiv.
Was beim Arbeitsplatzwechsel oder dem Beginn einer neuen Stelle fast flächendeckend Normalität ist, sollten auch Vereine hinsichtlich ihrer Vereinsmitarbeitenden, gleichwohl ob ehren- oder hauptamtlich und insbesondere bei jenen auf Funktionsebene, ernstnehmen: Ein strukturiertes „Onboarding“, bei dem Abläufe, organisatorische Aspekte, Fördersystematiken aber auch Werte und Haltungen des Vereins dargestellt werden, erleichtern den Start und sorgen für einen guten Übergang bei Ämterwechseln oder dem Start neuer Engagierter.
Die zeitliche Verfügbarkeit hat sich ebenfalls in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Während nach „traditionellen“ Ehrenamtsstrukturen ein längerfristiges Ehrenamt angestrebt bzw. zum Teil auch erwartet wird, tendieren die Bedürfnisse von Ehrenamtlichen heute mehr zu kurzfristigen oder auch projektbasierten, zeitlich begrenzten Aufgaben, die sie im Verein übernehmen können. Es ist demnach nicht (mehr) attraktiv ein Amt innezuhaben, das bis zum Abdank oder auch lebenslänglich fortgeführt wird, sondern vielmehr abgesteckte Aufgabenbereiche, für die für einen bestimmten Zeitraum engagierte Personen gesucht werden. Das muss nicht bedeuten, dass die verantwortliche Person am Ende des Zeitraums aus dem Ehrenamt ausscheidet. Es ist ebenso möglich, dass das Engagement in einem neuen, zeitlich begrenzten Projekt fortgeführt wird.
Ein zentraler Aspekt bei der Gewinnung von Ehrenamtlichen ist die Informationsarbeit darüber, dass der Verein Unterstützung von Engagierten benötigt. Ohne gezielte Werbung und Öffentlichkeitsarbeit wird von außen häufig nicht ersichtlich, dass es grundsätzlich an helfenden Händen mangelt oder auch, wo diese im Verein ganz konkret fehlen. Daher sollten Vereine Möglichkeiten eines Engagements sowie die genauen Aufgabenfelder nach innen und außen breit und auf allen verfügbaren Kanälen kommunizieren, u.a. auch bei Vereinsveranstaltungen. Dabei ist auch die direkte Ansprache von neuen Zielgruppen erforderlich, bei der auch die Nutzung unterschiedlicher Medien entscheidend ist. Gerade junges Publikum wird durch „traditionelle“ Öffentlichkeitsarbeit in Zeitungen oder auf der Vereinshomepage nicht erreicht. Möchte der Verein diese Gruppe für ein Engagement gewinnen, sollte die Nutzung der sozialen Medien in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch sollten Organisationen, die bereits Zugänge zur adressierten Zielgruppe haben und personelle Ressourcen im Verein wie bspw. Angehörige der Zielgruppe selbst in die direkte Ansprache eingebunden werden.
Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass bei verschiedenen Zielgruppen und in einigen sozialen Milieus das Modell des ehrenamtlichen Engagements und der grundsätzlich niederschwelligen Möglichkeit, sich einzubringen und zu beteiligen, nicht oder nur unzureichend bekannt ist. Insbesondere Personen, die nicht im (Sport-)Vereinssystem sozialisiert sind, kennen häufig die Zugänge nicht, um sich zu engagieren. Dies in der Kommunikation nach innen und außen zu berücksichtigen und konkret aufzuzeigen, wie niederschwellig die Partizipation möglich ist, kann die Gewinnung von Personen nachhaltig unterstützen.
Die strategische Öffnung für eine neue Zielgruppe bzw. ein soziales/gesellschaftliches Thema muss im Verein mehrheitlich getragen und befürwortet werden Widerstände bzw. Bedenken müssen konstruktiv und wertschätzend besprochen und lösungsorientiert diskutiert werden!
Angebotsentwicklung
Die Einbindung neuer Zielgruppen in den Verein kann einen Impuls zur Vereinsentwicklung darstellen. Häufig begründet sich die Abwesenheit von Zielgruppen in Sportvereinen darin, dass ein passendes Angebot für eben diese fehlt, sei es in inhaltlicher, organisatorischer oder auf anderen Faktoren basierender Hinsicht. Unabhängig vom Ziel, eine neue Zielgruppe für den Verein zu gewinnen empfiehlt es sich, regelmäßig das eigene Sportangebot zu prüfen und offen für Veränderungen zu sein – sowohl im Hinblick auf die Interessen und Bedürfnisse potenziell neuer als auch der bestehenden Mitglieder. Letztere gilt es bei entsprechenden Sportangebotsentwicklungen eng miteinzubeziehen und insbesondere auch deren Anliegen zu berücksichtigen.
- Was soll nach einer definierenden Zeit (bspw. nach 3 Jahren) besser/anders sein als heute?
- Welche Zielgruppe(n) (Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, sozial Benachteiligte, wohnungslose Personen, FLINTA*-Personen, usw.) aus dem (geographischen) Umfeld sind im Verein nicht oder kaum zu finden?
- Welches Sportangebot haben wir? Spricht unser Sportangebot die Interessen und/oder Bedürfnisse der Zielgruppe an?
- Gibt es „Angebotslücken“ in der Sportlandschaft im Umfeld des Vereins, die wir füllen können und möchten?
- Gibt es Nachfragen zu anderen (Sport-)Angeboten, die wir im Rahmen unserer Ressourcen umsetzen können? Was wünschen sich bestehende Mitglieder?
- Welche personellen und infrastrukturellen (Hallen-/Platzzeiten) Ressourcen stehen hierfür zur Verfügung?
- Haben wir bereits Wissen über oder auch Qualifikationen in neuen/anderen Sportarten im Verein, auf die wir zurückgreifen können?
- Können wir unser Angebot effektiv(er) und zielgruppenbezogener bewerben?
- Welches Netzwerk, also Einrichtungen, Organisationen, Vereine (Diakonie, Caritas, Jugendhäuser, Initiativen) usw. gibt es in meinem Vereinsumfeld, die die diese Zielgruppe bereits erreichen/mit der Zielgruppe zusammenarbeiten? Wie können diese Netzwerke den Ausbau des Angebots unterstützen?
- Gibt es Widerstände? Wie gehen wir mit Widerständen um? Wie gewinnen wir Befürworter?
Durch die Aufnahme neuer Angebote wie bspw. Trendsportarten oder ausländischer Sportarten kann ein neues Publikum sehr gezielt adressiert und im Hinblick auf deren Interessen abgeholt werden. Für Menschen mit Migrationsgeschichte sind dabei Sportarten aus den Herkunftsländern besonders attraktiv. Ebenso kann die Aufnahme von Freizeitsportangeboten oder Gesundheitskursen bspw. auch als Erweiterung bestehender Sportangebote neue Zielgruppen aktivieren. Darüber hinaus helfen niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten wie offene Schnupperkurse, mobile Sportprojekte oder „Sporttage“ zum Kennenlernen des Vereinsangebots neue Teilnehmende zu erreichen.
Grundlage für jede Erweiterung des Sportangebots oder den Ausbau bestehender Angebote ist die Verfügbarkeit von infrastrukturellen Ressourcen, daher freie Zeiten in Sporthallen oder Freiplätzen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, zu welchen Zeiten die Sportflächen in Abhängigkeit der Verfügbarkeit der Zielgruppe benötigt werden. So könnten Eltern mit Babys und Kleinkindern bspw. Randzeiten am Vormittag nutzen. Sollte in den Vereinsstätten keine Zeiten frei sein, besteht eventuell die Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit einem Netzwerkpartner, das Sportangebot nach Möglichkeit in dessen Räume zu verlagern, sofern diese für das angedachte Angebot adäquat sind.
Neben der Verfügbarkeit von Räumlichkeiten ist auch das Vorhandensein personeller Ressourcen elementar. Hier sollte zunächst in der Innensicht geprüft werden, welche Expertise und Kapazität bereits im Verein vorhanden ist, insbesondere ob Angehörige der Zielgruppe schon im Verein aktiv sind. Falls vorhanden muss dieses Kapital zwingend aktiviert und eingebunden werden, bspw. Personen, die Erfahrungen oder bereits Qualifikationen in einer neuen Sportart haben. Ist ein ÜL auch Angehöriger der eigenen Zielgruppe, fällt der Schritt in eine organisierte Übungsgruppe für weitere Angehörige leichter. Die Teilnehmer/-innen fassen schneller Vertrauen und akzeptieren die/den ÜL aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz auch als Berater/-in. So können entsprechende Personen als Ansprechpartner für neue Zielgruppe fungieren.
Die Eigeninitiative von Mitgliedern, neue Angebote im Verein aufzubauen oder bestehende weiterzuentwickeln, sich dabei als ÜL oder auf Funktionärsebene einzubringen, sollte – sofern die Rahmenbedingungen adäquat und umsetzbar sind – von Vereinsseite unterstützt und gefördert werden.
Essentiell ist auch die entsprechende Informationsarbeit zum erweiterten bzw. neuen Sportangebot. Eine Bewerbung nach innen für die bestehenden Mitglieder sollte dabei ebenso bedacht werden, wie die zielgerichteten und breiten Öffentlichkeitsarbeit nach außen. Insbesondere eine planvolle zielgruppenspezifische Ansprache ist zentral, um eben diese für neue Sportangebote zu gewinnen. Dabei sollten sowohl die Angehörigen dieser Zielgruppe, die auch in das neue/erweiterte Angebot eingebunden sind, als auch Organisationen, die mit der Zielgruppe zusammenarbeiten, und weitere Netzwerkpartner involviert werden.
Grundsätzlich können auch Netzwerke innerhalb und außerhalb des Sports dabei helfen, das Vereinsangebot bekannt zu machen und gleichermaßen Kenntnisse über konkrete Bedürfnisse der neuen Zielgruppe zu erlangen. Besonders interessant für die Vereine ist die Kooperationen mit Organisationen, die die Zielgruppe bereits erreichen, z. B. Migrantenorganisationen, die direkte Kontakte zur Zielgruppe sowie Informationen über deren (sportliches) Interesse haben oder abfragen können.
Um bestimmte Zielgruppe für den Verein zu erreichen ist es daher ratsam, bedarfsgerechte Angebote zu schaffen, die die Lebenswelt der Zielgruppe und deren Besonderheiten berücksichtigen. Die Erfahrungen aus verschiedenen Projekten zeigen bspw., dass Menschen mit Migrationsgeschichte Sportangebote besonders gerne wahrnehmen, wenn diese mit einem zusätzlichen Angebot außerhalb des Sports kombiniert werden. Entsprechend erscheint es ratsam für diese Zielgruppe den Sport mit einem bspw. sozialen Angebot zu ergänzen. Auch hier können Netzwerkpartner wertvoll sein, in dem dessen bestehende Angebote, wie bspw. ein Frauencafe mit einem Sportangebot für Frauen zu verknüpfen. Mit der Bündelung der Kompetenzen wird ein Mehrwert für den Sportverein, die kooperierende Organisation und nicht zuletzt die teilnehmenden Personen geschaffen. Für den Verein besteht dieser Mehrwert bspw. darin, außersportliche Zusatzangebote zu etablieren Elternarbeit aufzunehmen oder sozialpädagogische Arbeit zur Einbindung schwer erreichbarer Gruppen als Vereinsinhalt aufzubauen.