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„Knete und Köpfe“

25% der Vereinsmitglieder sind ehrenamtlich in ihrem Verein tätig, aber irgendwie warten immer mehr Aufgaben als Freiwillige, die zur Verfügung stehen

In den seltensten Fällen läuft es so:

Ein Vereinsmitglied kommt aus heiterem Himmel auf den Vorstand zu und fragt: Habt Ihr nicht ein Ehrenamt für mich? Mitarbeitergewinnung betont eben die Gewinnung – und dies bedeutet Arbeit, Mühe, Auseinandersetzung. Der letzte Sportentwicklungsbericht sowie der Freiwilligensurvey der Bundesregierung (zuletzt 2009) sind eindeutig: Das Engagement in Deutschland sinkt nicht, sondern steigt eher noch. Das Potenzial ist da – aber das Engagement kommt gefühlt und auch tatsächlich zu wenig bei den Vereinen an. Das kann zu existenzbedrohlichen Situationen führen, wenn etwa Angebote nicht mehr stattfinden können, Wettkämpfe nicht ausgerichtet werden können, Verwaltung liegen bleibt. Die gute Nachricht: Die Situation lässt sich verändern.

Imageproblem Ehrenamt

In den letzten Jahren hat sich die Idee freiwilligen Engagements tiefgreifend verändert. Jahrzehntelang war eine gewisse Opferbereitschaft die Basis für langjährige Mitarbeit. Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, Kontinuität führten zu Ehrenamtskarrieren, die gerne mal 15 Jahre oder mehr dauern können. Doch die Bereitschaft zur Aufopferung für den Verein sinkt, die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Tuns für das eigene Leben ist ins Zentrum gerückt. Was also passiert, wenn es zum Mitarbeiteraustausch kommen muss oder neue Mitarbeiter gewonnen werden wollen?
Patrick Busse, Geschäftsführer des TV Lemgo von 1863 e.V. sowie Vereinsberater beim LSB NRW macht eine „Herausforderungsliste“ auf: „Vereinsstrukturen sind vielfach nicht mehr zeitgemäß. Engagierte Vereinsmitglieder wollen Zeit nicht mehr opfern, sondern investieren: Wohin kann ich mich auch persönlich weiterentwickeln?“ Als zweiten Punkt nennt er den zunehmenden Wunsch nach flexibleren Zeitstrukturen, der gerade die Sportpraxis betrifft. Jeden Dienstag um 16 Uhr auf dem Platz zu stehen, erfordert eine Menge Alltagsorganisation, die immer unrealistischer wird. Und als drittes plädiert Busse dafür, die Gremienstrukturen zugunsten von Projektarbeit aufzubrechen. „Vereine sollten die Sinnhaftigkeit gewisser Abläufe einmal hinterfragen. Ist etwa das Zeit-Absitzen in Gremien tatsächlich effizient?"

Wo besteht Bedarf?

Man kann als Verein viel tun, oben stehende Herausforderungen anzugehen, das erfordert aber immer auch Auseinandersetzung und Reflektion. Prüfen Sie ehrlich: Welche Faktoren beeinflussen das Engagement Ihrer Mitglieder positiv, welche stellen sich als Hemmnisse heraus? Was also müssen Sie tun, um die positiven Aspekte zu stärken und die Hemmnisse zu reduzieren? Wen habe ich eigentlich als Ehrenamtler, und wo besteht Bedarf?
Sie werden feststellen: Ideen gibt es Hunderte. „Ein Verein wird nie an den Punkt kommen zu sagen: Uns fällt nichts mehr ein“, weiß Busse aus der Praxis. Es gibt jedoch etwas, was seiner Meinung nach absolut jeder Verein haben sollte: Eine Person nämlich, die auf Vorstandsebene für Mitarbeiter zuständig ist. „Jeder Verein klagt über Köpfe und Knete. Es gibt überall einen Knetewart“, so Patrick Busses Zuspitzung. „Aber es gibt niemanden, der für Mitarbeitergewinnung und -entwicklung da ist.“ Dieser Jemand soll natürlich nicht mit Akquise-Flyern durch die Kurse tingeln. Vielmehr geht es um eine Führungsperson, die den Verein stetig betrachtet: Sind wir attraktiv? Bauen wir vor? Eine klare, strategische  Zuständigkeit für Mitarbeiterfragen zu benennen, ist laut Patrick Busse das beste Rezept für nachhaltige Mitarbeitergewinnung und -bindung. Gerne übrigens mit Fokus auf den zwei immer noch ungehobenen Schätzen in punkto Mitarbeit: Frauen und Migranten.  

Diesen Artikel finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe 02/2016 der "Wir im Sport".

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