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Die Durchgriffshaftung gegenüber dem Vorstand

Haftung gegenüber Dritten

Neben den klassischen Haftungsverhältnissen des Vorstands zum Verein, den Mitgliedern und unmittelbar in Kontakt zum Verein tretenden Dritten, besteht für Vereinsvorstände die Gefahr, dass sie anstelle des Vereins unmittelbar durch Dritte in Anspruch genommen werden können. Bei solchen Dritten kann es sich um natürliche Personen, aber auch um Institutionen wie die Finanzverwaltung oder die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung handeln. Den Fällen gemein ist, dass diese Personen und Institutionen zunächst einen Anspruch gegen den Verein haben. Lässt sich der Anspruch nicht realisieren, haben diese Personen und Institutionen die Möglichkeit, sich gegenüber den verantwortlichen Vereinsvorständen schadlos zu halten. Daher wird in diesen Fällen von einer sogenannten Durchgriffshaftung gesprochen. Das sind die wichtigsten Fälle der Durchgriffshaftung: 

Haftung wegen Steuerverbindlichkeiten des Vereins

Die Haftung gilt insbesondere für Mitglieder des Vorstands im Sinne des § 26 BGB. Nach § 34 der Abgabenordnung sind die gesetzlichen Vertreter, die steuerlichen Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Nach § 69 der Abgabenordnung haften diese gesetzlichen Vertreter gegenüber der Finanzverwaltung, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. 

Spendenhaftung

 Nach § 10b Absatz 4 Satz 2 haften Vorstandsmitglieder, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Zuwendungsbestätigung ausstellen oder veranlassen, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden. Dies wird im ersten Fall als Aussteller-, im zweiten als Veranlasserhaftung bezeichnet. Die Haftung bezieht sich in diesen Fällen auf die entgangene Steuer, die in Höhe von 30 % des zugewendeten Betrages angesetzt wird. Dies gilt, soweit die Spende nicht von einem Unternehmen stammt. Bei Spenden, die von Unternehmen geleistet werden, wird ein Pauschalbetrag von weiteren 15 % als Steuerausfall angesetzt. Die Haftung kann somit bis zu 45 % des ausgewiesenen bzw. zugewendeten Betrages betragen. In den Fällen der Veranlasserhaftung ist vorrangig der Verein als Zuwendungsempfänger in Anspruch zu nehmen.   

Haftung wegen sogenannter Insolvenzverschleppung

Nach § 42 Absatz 2 BGB hat der Vorstand im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. Sind das mehrere Vorstandsmitglieder, dann haften sie als Gesamtschuldner. 

Haftung wegen Nichtabführen von Arbeitnehmeranteilen der Sozialversicherungsbeiträge

Beschäftigt der Verein Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und behält der Vorstand als Arbeitgeber Arbeitnehmeranteile ein, ohne diese abzuführen bzw. weiterzuleiten, dann macht sich der Vorstand strafbar (vgl. § 266a des Strafgesetzbuches). Wegen des Verstoßes gegen ein Strafgesetz kann er für den dadurch entstandenen Schaden persönlich in Anspruch genommen werden (vgl. § 823 Absatz 2 BGB).  

Haftung wegen Herbeiführen eines Versicherungsfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung

Nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung werden Unternehmer von der Schadensersatzpflicht für Personenschäden befreit, wenn ein Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) vorliegt. Das gilt jedoch nicht, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht haben (vgl. §§ 104 und 110 SGB VII). Aber auch schon im Fall grob fahrlässiger Herbeiführung haften sie gegenüber dem Sozialversicherungsträger.  

Beispiel

Der Verein beschäftigt einen Hausmeister auf Minijob-Basis. Der Vorsitzende bittet den Hausmeister darum, ein defektes Leuchtmittel in der Sporthalle auszuwechseln. Da keine ausreichend lange Leiter greifbar ist, weist der Vorsitzende den Hausmeister an, auf einen Kasten einen Stuhl zu stellen und darauf zu klettern, um das Leuchtmittel zu tauschen. Der Hausmeister verliert das Gleichgewicht und stürzt mit dem Stuhl auf den Hallenboden und bricht sich den Oberschenkelhals.